Es ist vollbracht, der Honig ist im Glas.
Seit dem Frühling habe ich nun Nina, Christian und die Bienen in der Bruchstück Imkerei begleitet, wahnsinnig viel gelernt und wenn ich demnächst Honig esse, wird es nie wieder so sein wie vor dieser Zeit.
Wir sind es gewohnt, den Honig einfach so zu kaufen und zumindest ich habe mir nie große Gedanken gemacht, wie er wohl ins Glas kommt und wie wertvoll er vielleicht sein mag.
Erst Mal ein paar Fakten:
Wusstet ihr z.B.
- dass eine Biene in Ihrem Leben ca. 8.000 km zurücklegt
- dass eine Biene alleine für ein Kilo Honig eine Strecke zurücklegen müsste, die dreimal um den Erdball reicht
- dass ein kg Honig die Lebensarbeit von ca. 350-400 Bienen ist
- dass eine Biene in Ihrem Leben mehrere Aufgabengebiete durchläuft, also nacheinander verschiedene Jobs ausübt (die Jos reichen von putzen der Zellen, Pflege und Fütterung der Brut, Verarbeitung der Pollen und des eingetragenen Nektars, Regelung der Bautemperatur, Produktion des Wachses und Bau der Waben, Erkundung der Umgebung bis zur Bewachung und des Schutzes des Volkes und natürlich ganz wichtig das Sammeln von Nektar, Pollen und Wasser)
- dass das Bienenvolk ein wahnsinnig intelligenter, demokratisch funktionierender Organismus ist, der gemeinsam Entscheidungen treffen kann und diese wirklich nur trifft, wenn alle übereinstimmen
- dass die Universität Hohenheim den volkswirtschaftlichen Wert der Bestäubungsleistung der deutschen Imker und ihrer Bienen auf 1,6 -2 Milliarden Euro schätzt
- und dass, wenn diese Bestäubung nicht stattfindet, es sehr schlecht um unsere eigene Versorgung steht.
Dies ist nur ein Bruchteil von Fakten über die Biene und das noch nicht mal im Detail beschrieben, aber mich zumindest erfüllt es mit Respekt und Ehrfurcht.
Nun zurück nach Wawern - zur Bruchstück Imkerei und was ich da die letzten Monate erlebt habe, findet Ihr hier in meinem persönlichen Bienen-Tagebuch:
22. April
Heute habe ich den Bienen von Nina und Christian meinen ersten Besuch erstattet. Es ist sehr faszinierend, wie friedlich dies alles abläuft. Es steht die Kontrolle der Rähmchen mit den Waben in den Bienenstöcken an.
Als erstes erzeugt Christian den Rauch, der mit einem kleinen Blasebalg in den Bienenstock geblasen wird. Er erklärt mir, dass man das macht, damit die Bienen denken, es wäre ein Waldbrand im Gange. Dies führt dazu, dass sie ihre Honigblase füllen, sich in die Waben zurückziehen und ganz ruhig werden.
Und ganz ruhig ist es in der Tat, wenn Nina und Christian die Stöcke kontrollieren - fast eine meditative Stimmung und zwischendrin summt es wie verrückt. Ich bin erstaunt, dass ich so gelassen bin.
& dann sogar noch ein Highlight, die Königin zeigt sich – sie ist die größte im Volk und Sie legt pro Tag bis zu 2.000 Eier. Schon etwas Besonderes, dieses Tier zu Gesicht zu bekommen...
Und ganz zum Schluss darf ich sogar mit dem Finger aus der Wabe ein bisschen Honig herausholen und ihn probieren
- was für ein ereignisreicher Besuch und ich freue mich schon, bald dabei zu sein, wenn die Frühtracht, das ist der erst Honig im Jahr, geschleudert wird...
8. Mai
Mein zweiter Besuch - wieder steht die Kontrolle der Stöcke an.
Heute beginnt das allerdings mit einem Schock - es liegen sehr viele tote, zum Teil benommene Bienen vor den Stöcken. Kurze Verwirrung und Ratlosigkeit. Es kann verschiedene Ursachen haben, eine Krankheit, um Umkreis wurde gespritzt... Nina und Christian erkundigen sich bei den Imker-Kollegen - am Ende gehen alle davon aus, dass es sich bei den toten Tieren um Winterbienen handelt. Da es so lange so kalt war, kommt es erst jetzt dazu, dass die Tiere den Stock verlassen und sterben.
Nach dieser ersten Aufregung ist dann jedoch die Freude groß, denn in den Stöcken geht es sehr rege zu.
Es ist alles in Ordnung, die Bienen waren schon sehr fleißig und Christian geht davon aus, dass bald die Honigräume auf den Stock gestellt werden können.
Das sind Waben, in die nur die fleißigen Arbeiterbienen hineingelangen, da sich im Zwischenraum ein Gitter befindet, durch dass die Königin nicht passt, weil sie größer ist als die anderen. Daher kann sie dort keine Eier ablegen und die Waben werden nur mit Vorrat, also Honig, gefüllt.
Dann wird es spannend, heute will Christian einen „Ableger“ seines Volkes machen. D.h. ein Teil der Bienen wird aus dem Volk herausgenommen. Christian wird die Tiere dann zu einem Freund bringen, der auch Imker ist. Der Freund wohnt in Wiltingen. Ich sage das, weil die Entfernung wichtig ist. Ist sie geringer als rund zwei km, kehren die Bienen einfach wieder zurück zum Volk. Ist die Entfernung jedoch groß genug, ziehen sich die Bienen am neuen Ort eine neue Königin heran und ein neues Volk entsteht. Ist das nicht interessant? So verhindert der Imker das natürliche Schwärmen der Bienen, da auch das alte Volk erst einmal wieder beschäftigt ist neue Bienen heranzuziehen.
Aber nun zur Aktion selbst: Es ist nämlich ganz schön aufregend. Christian und Nina haben ein besonders fideles Volk herausgesucht. Das allerwichtigste ist, dass die Rahmen mit den Waben nur Arbeiterbienen enthalten. Die Königin muss also gefunden werden, um sicherzustellen, dass sie nicht im Ableger landet. Die Suche geht los.
Nach der Kontrolle der ersten Rahmen zeigt sie sich dann auch tatsächlich und wird sofort, zur Sicherheit, in ein kleines Aufbewahrungsgitter gesetzt. Nun können in Ruhe die besten Waben herausgesucht und in eine kleine Box verfrachtet werden - und schon ist er fertig, der Ableger!
Die Königin wird wieder frei gelassen und schlüpft zurück in den Stock, wo sie tatsächlich schon vermisst wurde, das konnte man sehen. Christian und Nina freuen sich wie verrückt und los geht es nach Wiltingen zum neuen Zuhause - hier wird dann auch direkt ein Ableger gemacht, der zurück nach Wawern geht. So gab es heute also zwischen Wawern und Willtigen eine richtige Völkerwanderung. Mögen sie sich gut einleben die Bienen und gute Königinnen heranziehen. (Wie das funktioniert, ist nochmal eine Geschichte für sich)
Am Ende stelle ich fest, dass ich vor lauter Aufregung heute tatsächlich kaum Fotos gemacht habe... beim nächsten Mal wieder :-)
22. Mai
Früh morgens weckt mich eine sms:
Guten Morgen Simone,
im Moment steht es nicht gut um unsere Bienen.
Es ist kaum noch Futter in den Völkern, und die Honigräume haben wir abgenommen, weil sie leer sind. Zudem stresst der überflüssige Raum die Bienen, wenn sie nicht genug Energie haben, um ihn auszubauen und nicht genug Nektar finden, um ihn aufzufüllen.
Es ist zwar alles grün, aber es ist kaum was richtig am Blühen. Das dauerhaft schlechte Wetter ist dafür verantwortlich.
Wenn es weiter so schlecht bleibt, besteht auch ein hohes Risiko, dass die nun schlüpfenden Königinnen in den Ableger nicht begattet werden können, denn für den Hochzeitsflug muss das Wetter schön sein.
Wenn wir aus allen Bienenvölkern nicht genug Futter zusammen bekommen, müssen wir sie mit Zuckerwasser füttern. Mit Honig wird es darum in diesem Frühling nichts bei uns.
Hoffentlich ändert sich das Wetter bald, dass die Bienen wenigstens noch eine gute Sommertracht einbringen und unsere neuen Königinnen begattet werden können.
Es bleibt also zu hoffen — #hope.
Ich bekomme eine Gänsehaut - diese Nachricht treibt mich richtig herum - ist nun eingetroffen, wovor wir alle Angst haben? Doch bevor ich in Panik ausbreche harke ich mal lieber nach, frage Christian, ob das so schon mal vorkam - und wir recherchieren.
Ja, es ist nicht ungewöhnlich und kommt immer wieder vor - eine Nachricht von einem erfahrenen Imker: Guten Morgen. Leider gibt es Jahre wie diese. Gab es auch in der Vergangenheit. Wird´s auch immer wieder geben. Es ist halt die Natur. Man muss achtsam sein.
Ich atme ein bisschen auf und Christian und Nina beginnen die Bienen zu füttern.
Also keine Frühtracht, aber die Bienen überleben und in den Stöcken ist weiter reges Treiben.
30 Mai
Ich bekomme wieder eine sms von Christian: Habe heute einem Freund geholfen, einen Schwarm einzufangen :-)
Tolles Erlebnis!
Ich antworte: WoW würde mich freuen, wenn Du mir bei Gelegenheit mal erzählst wie man das macht.
Christians Antwort:
Als der Anruf kam, waren die Bienen wohl gerade in der Luft unterwegs. Dann hört man sie Summen, und es sieht aus wie eine dunkle Wolke.
Als ich ankam, hingen sie alle wie eine Traube an einem Ast in einem Baum. Nur wenige Bienen rundherum waren am Fliegen, vermutlich die Spürbienen, die nach einer neuen Behausung suchen.
Wir haben dann eine Leiter am Baum platziert und ein paar Äste geschnitten, um besser an den Schwarm zu kommen. Anschließend hat der Imkerkollege die Bienen mit Wasser eingesprüht. Das lenkt sie ab, weil sie sich trocknen müssen. Dann hat er den Schwarm mit festem Rütteln am Ast in eine Kiste geschlagen und die Kiste verschlossen.
Im Bild oben sieht man eine Beute mit einem weißen Tuch davor. Auf das haben wir die Bienen ausgestoßen, und sie breiteten sich zu einem Teppich aus. Instinktiv wandern dann nach einer Zeit die Bienen in Richtung des dunklen Spalts des Flugloches der Beute. Erst ein paar wenige Spürbienen, dann immer mehr. Das hat schon um die zehn Minuten gedauert, bis der Einzug losging. Im Ganzen hat es dann wohl so 30 bis 40 Minuten gedauert. Und ich habe doch tatsächlich gesehen, wie die Königin eingewandert ist.
In der Beute sind Leerrähmchen und eine Wabe mit Futter für die erste Zeit. Sie werden jetzt die Waben ausbauen, die Königin wird beginnen Eier zu lagen und die Flugbienen werden Nahrung sammeln.
Wenn es ein Vorschwarm war, dann ist es die alte Königin, die aus dem vorherigen Stock ausgezogen ist. Die ist begattet. Wenn es ein Nachschwarm war, dann handelt es sich um eine neue Königin, die vom vorherigen Volk herangezogen wurde. Die muss dann in den nächsten Tagen noch auf ihren Hochzeitsflug, um begattet zu werden.
Die Beute mit dem Schwarm steht jetzt erstmal bei uns, denn er muss in der Anfangszeit an einen neuen Standort, damit die Bienen nicht zurück zum alten Volk fliegen können.
Es ist ein so interessantes und spannendes Schauspiel der Natur, sehr aufregend.
Ich bin fasziniert!
13. Juni
Der erste Besuch seit Langem steht an! Ich freue mich schon.
Es steht die Kontrolle der Bienenstöcke an. Sowohl in den Stöcken auf der Wiese, als auch im Bienenhaus am Bruchstück. Insgesamt haben Nina und Christian 5 große Völker und einen Ableger, das sind ca. 300.000 bis 400.000 Bienen. Seht und genießt die Eindrücke.
Das Fazit von heute:
Es wird Honig geben!
27. Juni
Heute ist der große Tag - endlich wird der Honig geschleudert.
Wir treffen uns früh morgens, und mitten in der Küche steht schon die Schleuder.
Wir gehen zur Wiese, und Christian nimmt die Honigräume von zwei Stöcken.
und die werden dann vor der Küche auf die Bank gestellt - es summt und brummt...
Bevor jedoch der Honig geschleudert wird, müssen die Waben entdeckelt werden. D.h. die leichte Wachsschicht, die die Bienen über jeder Wabe angebracht haben, um den Honig für die Einlagerung zu schützen, muss vorsichtig entfernt werden. Eine Arbeit für die ganze Familie und auch für mich :-)
Nachdem 4 Rähmchen so vorbereitet wurden, kann die erste Schleuderrunde beginnen.
Ein paar Mal kurz drehen, stoppen, dann einmal lang und stark drehen - dann die Rähmchen umdrehen und dasselbe nochmal - so wird der Honig aus den Waben befördert, Runde für Runde, Rähmchen für Rähmchen.
und so langsam sammelt sich das flüssige Gold erst an den Seitenwänden der Schleuder und dann so langsam unten am Boden. Ein faszinierender Prozess der einige Stunden dauert.
Und dann wird der Hahn geöffnet.
Hier fehlen mir dann auch die Worte, schaut...
Gesammelt wird der Honig nun in einem Eimer, der über mehrere Wochen täglich umgerührt wird, damit die Zuckerkristalle gebrochen werden und er später nicht verklumpt.
Was mir gut gefällt, nachdem das Schleudern beendet ist, bringen wir alle Utensilien zurück zu den Bienenstöcken inklusive der Schleuder. Das machen Christian und Nina so, weil dann nichts verschwendet wird. Und zack sind sie auch schon da, die fleißigen Bienchen und alle Reste werden verputzt.
07. August
Heute ist mein letzter Tagebucheintrag.
Wir treffen uns zum letzten Schleudern für dieses Jahr und der Honig, den wir beim letzten Mal geschleudert haben, wird abgefüllt.
Meine spannende Reise mit allen Höhen und Tiefen geht zu Ende und ich hoffe sehr, dass mein Plädoyer für die Biene Euch ein bisschen gezeigt hat, wie wertvoll unsere alltäglichen Selbstverständlichkeiten sein können und wieviel Respekt dieses Nahrungsmittel eigentlich verdient. Vielleicht könnt ihr es jetzt noch ein bisschen mehr genießen und Euch freuen über ne Butterstulle mit dem „guten Zeug“!
Ich verabschiede mich jetzt und sage nochmal ein großes Dankeschön an Nina und Christian! Der Artikel beinhaltet nur einen Bruchteil von dem, was ich in der ganzen Zeit bei Euch gelernt habe. Aber wenn ich das alles aufgeschrieben hätte, wäre wahrscheinlich ein Buch draus geworden! Eindeutig ein Wunder, diese Bienenvölker!
Übrigens, Ihr könnt genau diesen Honig ab jetzt bei Nina und Christian kaufen ;-)
Übrigens: Während ich nun meinen Artikel heute fertig geschrieben habe, hatte ich gleich zwei Bienen in meinem Haus - witzig, oder? Müde waren sie – aber ein bisschen Zuckerwasser hat sie wieder ganz fidel gemacht.
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